Es ist nichts Neues, dass es im Leben oft Höhen und Tiefen gibt, und das ist wohl jedem bekannt. Jeder trägt sein eigenes Päckchen, hat seine Erfahrungen gemacht, Gutes und Schlechtes erlebt und wurde von seinen Erfahrungen geprägt.
Wie kann man mit Dingen umgehen, damit sie weniger schmerzhaft sind? Schmerzen ertragen, ohne daran kaputtzugehen? Wie kann man trotz aller Negativität einen Sinn sehen? Ich habe mich eine Weile damit beschäftigt und denke, dass ich es gelernt habe.
Wie sich in den vorherigen Beiträgen deutlich abgezeichnet hat, habe ich die Einstellung entwickelt, dass nichts ohne Grund geschieht.
Routine ist gefährlich
Ich habe mein bescheidenes Leben eingerichtet: arbeiten, abends in meine eigene Wohnung gehen, etwas bestellen (weil ich bequem war und es mir leisten konnte), die halbe Nacht spielen und mittags wieder zur Spätschicht gehen. Es war okay, nichts Besonderes, aber damals für mich vollkommen ausreichend.
Nach einigen Monaten, als die Auftragslage meiner Firma stark zurückging, war es an der Zeit zu gehen. Aber wie bereits gesagt: nicht ohne Grund, sonst würde ich immer noch meinen gewohnten Trott gehen. Kurz darauf landete ich in einer Aluminiumgießerei – körperlich anstrengende Arbeit, geringer Lohn… ätzend. Mir war klar, dass ich nicht lange in diesem Berufsfeld tätig sein würde, aber als Gewohnheitstier konnte ich mich recht schnell damit abfinden. Irgendwann wird alles zur Routine, aber wer Routine hat, macht Fehler, und so geschah es auch: Ich verbrannte mir die Finger beim Gießen… autsch.
Ich habe zwar nicht geweint, aber es hat verdammt wehgetan. Nachdem alles verheilt war und ich meine Arbeit wieder aufgenommen hatte, entschied ich mich, aufgrund des Unfalls und anderer Gründe mehr Lohn zu fordern, den ich dann auch bekam. Letztendlich wurde mir klar, dass man als ungelernte Arbeitskraft nichts wert ist, da mein Chef zwei Wochen später einen Weg fand, mich zu kündigen, da er den höheren Lohn natürlich nicht weiterzahlen wollte.
Neue Wege
Das war das erste Mal, dass ich intensiv darüber nachdachte, dass es so nicht weitergehen kann. Ich meine, ich bin intelligent, kreativ, ein Überlebenskünstler… das Leben hat mehr für mich vorgesehen als das.
Ich ging zum Arbeitsamt, um mich arbeitslos zu melden, erhielt kurz darauf einen Termin, um über meine Zukunft zu sprechen, und mir wurde schnell ein neuer Weg aufgezeigt:
“Herr XY, wir werden alles für Sie tun, Sie müssen es uns nur sagen und wollen…” – Ja, ich wollte, ich wollte etwas ändern, vorwärtskommen in meinem Leben. Gemeinsam haben wir einige Berufsfelder durchgesprochen, die für mich in Frage kommen würden, und schnell war klar, dass es in Richtung IT gehen sollte.
Also IT… gut, Voraussetzung dafür: ein guter Eignungstest.
Einige Wochen später wurde ich zu besagtem Eignungstest eingeladen und habe ihn mit Bravour bestanden… grünes Licht von der Agentur für Arbeit. Das Problem war nur, dass ich mit meinen damals 26 Jahren nicht noch einmal eine reguläre Lehre machen wollte – denn seien wir ehrlich: Um Akten von A nach B zu schieben oder den Boden zu fegen, muss ich nicht aufstehen. Ich brauchte etwas, das mich herausfordert. Also BFW… quasi den Stoff von 3,5 Jahren in 1,5 Jahren plus 0,5 Jahren Praktikum gepackt… Druck und etwas Stress, eben gefordert sein, dachte ich zumindest damals.
Da ich neben meinem ALG I auch ALG II beantragt hatte, änderte sich die Zuständigkeit für die Umschulung recht schnell. Theoretisch hätte ich von vorne anfangen und alles neu beantragen müssen, aber zum Glück bin ich recht wortgewandt, daher konnte ich mir das Ganze ersparen und habe es irgendwie geschafft, im Februar letzten Jahres in die Umschulung einzusteigen.
Soweit so gut, kein Problem
– am Anfang zumindest.
Der Sommer rückte näher und ja… “Alle Jahre wieder… Depressionen”, ausgelöst durch einen schweren Autounfall vor 12 Jahren und seitdem jedes Jahr dasselbe… bis heute, aber dazu später mehr.
Es ereignete sich eine Kette von dummen Ereignissen: Ich ging nicht mehr regelmäßig zur Umschulung, verlor meine Wohnung, daraufhin meine Freundin… lernte jemand Neuen kennen, dann wieder verloren.
Das Geheule war natürlich groß, ich konnte nicht mehr – einfach zu viel auf einmal, keine Kraft mehr, keinen Sinn mehr gesehen. Ich war kurz davor, einen Schlussstrich zu ziehen, stand schon auf dem Balkon, schloss die Augen, atmete tief durch… bereit zu sprin… NEIN, stopp!? Sollte das mein Ende sein? Sollte das alles gewesen sein? Nein…
Nicht das Ende
Kurz darauf klingelte es an meiner Tür… meine Schwester. Ich musste raus aus der Bude, weg von diesem Ort, Jacke an, auf zum Weihnachtsmarkt. Später gestand ich ihr, was an diesem Abend passiert war… und das Leben ging weiter… irgendwie.
Ich ging mit meiner Schwester zu einem neuen Arzt, weil meine bisherige Hausärztin nicht verstand, was ich ihr monatelang zu vermitteln versuchte.
Es folgte eine weitere Kette von Ereignissen: Überweisung zum Psychiater… Überweisung in die Landesklinik… massig Tränen, belangloser Sex. Ich konnte vielen dort helfen, zum Beispiel einer Borderlinerin, der ich diesen Text zum Lesen gab… sie stand auf, nahm mich in den Arm, weinte und bedankte sich bei mir. Am nächsten Tag wurde sie entlassen.
Aber gut, kurz darauf flog ich aus der Klinik, weil ich zu viel lachte und es mir offensichtlich gut ging… oder wie meine Schwester meinte, weil sie mitbekommen hatten, dass ich dort ein paar Mädels “gebängt” hatte.
Nun gut, vielleicht hätte ich meiner Psychologin nicht sagen sollen, wer sie eigentlich zur Psychologin gemacht hat… heute weiß ich, dass ich mich bei ihr bedanken sollte.
Nach dem Rausschmiss
Egal. Mit dem Rausschmiss standen zwei Möglichkeiten zur Auswahl: ein Obdachlosenheim, was in meiner Verfassung einem Selbstmord gleichgekommen wäre, oder eine etwas gehobenere Einrichtung für Menschen in sozialen Notlagen… zum Glück wurde es Letzteres.
In den letzten Monaten durfte ich großartige Menschen kennenlernen und auch Abschaum. Aber beides hat mir geholfen, mich um 540 Grad zu drehen… 360 Grad um mich selbst und dann nochmal 180 Grad in die richtige Richtung.
Ich muss sagen, dass der Anfang für mich nicht wirklich einfach war, aber inzwischen vermissen mich Menschen… etwas, was ich so bewusst noch nie wahrgenommen habe.
Aus Aussagen wie: “Am Anfang dachte ich, Sie haben einen Stock im Arsch.” wurde “Es ist erstaunlich, wie Sie sich trotz Ihrer Kindheit und allem zu so einer Persönlichkeit entwickelt haben.”
Ich wurde mit so vielen Dingen konfrontiert, war so oft kurz davor, zusammenzubrechen, aber es war immer jemand da, um mich aufzufangen.
Vor einigen Monaten ist ein Mitbewohner verstorben, was mich zunächst etwas niedergeschlagen hat, mir dann aber gezeigt hat, wozu ich fähig bin. Leider mussten wir letzte Woche meinen Hund einschläfern lassen… Kira.
Auch das habe ich überstanden.
Deutschlandtour
Letzten Samstag bin ich 17 Stunden durch halb Deutschland gefahren, nur um… ach, okay, das ist noch zu früh, aber ja. Auch wenn ich die ganze Rückfahrt geweint habe, wusste ich, dass da jemand ist, der mir Stärke gibt, der zu mir steht, weil ich eben auch jemandem wichtig bin.
Kaum war ich wieder in Calw angekommen, wurde ich mit offenen Armen empfangen, mir wurde Trost gespendet… Es tat gut, dass plötzlich so viele Leute da waren, egal ob im realen Leben, die ganze Zeit per WhatsApp oder einfach nur in Gedanken. Klar, es tat verdammt weh… ich wusste es ja schon vorher. Es war absehbar.
Ich bin eben, wie ein Kumpel sagen würde, ein dummer Bieber… verdammt, ja, das bin ich. Aber hey… die Stimme des Herzens übertrumpft eben alle Gedanken, was soll man machen. Ich hätte noch ewig spekulieren können, aber heute war der erste Tag, an dem ich wieder im BFW war, und es werden noch viele folgen. Ich wollte es einfach abschließen…
Losgegangen ohne Erwartungen, enttäuscht zurückgekommen… aber es ist gut so, wie es ist, weil mir diese Aktion auch noch etwas ganz anderes offenbart hat… aber dazu später mehr.
Auf den Punkt kommen
Mir geht es gut, wirklich… auch wenn es in den letzten Tagen und Wochen nicht einfach war, genauso wie in den Jahren zuvor. Aber inzwischen bin ich davon überzeugt, dass die Depressionen dieses Jahr keine Chance haben.
Im letzten Jahr bin ich so viel herumgekommen wie schon lange nicht mehr:
Leipzig, Dortmund, Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart, Lindau, Fulda… nächsten Monat geht es nach Italien, Monaco… wer weiß, wohin noch alles… Ich habe angefangen, offen über meine Probleme zu sprechen, und ja, es hilft und tut gut.
Und auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass jeder alleine stirbt, sind andere Menschen einfach wichtig… und ich rede jetzt nicht von irgendeinem Online-Scheißdreck-24-Stunden-Zocken-Leben-Vernachlässigen-Dreck…
Puh… jetzt muss ich den Beitrag wirklich zu Ende bringen… denn die “Onlinesucht” wird das nächste Thema sein.