Wer vom Pferd fällt, soll sofort wieder aufsteigen – sagt man. Diese Aussage ist gleichzeitig eine Redensart, die wir sicherlich alle schon einmal gehört haben. Tatsächlich ist es jedoch in der Theorie, wie so vieles, viel leichter als in der Praxis. Und so fällt es den meisten, wie auch mir, eher schwer, gleich wieder “aufs Pferd zu steigen”. Das wiederum führt dazu, dass man über die Zeit Ängste entwickelt, die sich später nur noch schwer bekämpfen lassen.
Angst haben wir wohl alle… vor irgendetwas, vor irgendjemandem. Und ich bin mir sicher, dass jeder von uns die eine oder andere Angst schon bekämpft hat und dann zum Ergebnis gekommen ist, dass es ja doch gar nicht so schlimm war.
Ängste
Ich hatte beispielsweise lange Zeit Angst, Auto zu fahren. Heute fahre ich leidenschaftlich gerne. Hatte Angst vor dem ersten Sex. Heute genieße ich es. Konnte mich nicht in großen Menschenmengen aufhalten, habe immer noch Schwierigkeiten, aber es wird besser. Ich hatte bis fast zur Volljährigkeit Angst im Dunkeln. Heute liebe ich die Nacht… die Sterne, die Ruhe, den Frieden, die Gelassenheit und alles, was mit der Dunkelheit einhergeht.
Freizeitparks waren nichts für mich, weil ich mich nie getraut habe, Achterbahnen zu fahren. Impfungen und Blutabnahmen… Spritzen… eine Katastrophe.
Es sind viele Kleinigkeiten, und ich könnte noch ewig so weitermachen… die Gründe erläutern, woher die Ängste kommen und wie ich sie überwinden konnte. Allerdings möchte ich mich einer ganz speziellen Angst widmen und auf eine Frage eingehen, die ich letztens erhalten habe.
Warum datest du nicht?
Nun, wie die oben genannten Ängste hat auch diese “Angst” einen Grund. Und eigentlich ist er lächerlich, und der ein oder andere wird gleich bestimmt den Kopf schütteln, lachen oder es vielleicht sogar nachvollziehen können.
Es war zu Zeiten der Berufsschule, damals als ich meine Bäckerlehre gemacht habe. Ich stand immer gerne im Pausenhof bei den Frisörmädels, und eine davon hat mir besonders gut gefallen: Klein, blond, kurze Haare und die schönsten Augen, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Konnte die ganze Pause neben ihr stehen und mich in ihren Augen verlieren, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ich möchte jetzt aber nicht behaupten, dass ich wie ein Psychopath neben ihr stand, ohne etwas zu sagen, denn tatsächlich haben wir uns recht viel unterhalten.
Sie hat sicherlich gemerkt, dass ich etwas für sie übrig hatte, denn alle anderen haben es auch gewusst. Einer meiner Kumpels meinte dann, ich sollte sie doch einfach mal auf ein Date einladen. Also fragte ich sie, ob wir etwas essen gehen wollen, und bot ihr an, sie von der Arbeit abzuholen. Sie stimmte zu, und am Samstag darauf machte ich mich nach der Arbeit auf den Weg zu dem Friseurstudio, bei dem sie ihre Ausbildung gemacht hat. Doch sie war nicht da.
Damals gab es noch keine Smartphones, an WhatsApp oder Facebook war noch gar nicht zu denken. Und als ich sie anrief, war das Handy aus. Ich ging davon aus, dass sie wahrscheinlich länger arbeiten muss und daher das Handy ausgeschaltet hat. Ich wartete also noch eine Weile und ging dann in den Laden, um nach ihr zu fragen. “Ja, sie hat heute frei…”, erhielt ich als Antwort… na klasse.
Zweiter Versuch
Als wir dann wieder Berufsschule hatten, kam sie in der Pause direkt auf mich zu, entschuldigte sich wahrscheinlich, weil sie doch ein schlechtes Gewissen hatte, und ich antwortete nur, dass es kein Problem sei. Kein Problem? Klar, es ist toll, zwei Stunden umsonst mit dem Bus zu fahren, wie ein Idiot vor dem Laden zu stehen und dann enttäuscht wieder nach Hause zu gehen… kein Problem.
Ja, aber ich bin ja ein Idiot und wahrscheinlich auch viel zu gutmütig. Also bot ich ihr an, unser “Date” zu verschieben. Sie überlegte kurz, schaute mich dann an und meinte: “Eric, du bist ein echt toller Typ, aber deine Narbe geht gar nicht, ich glaube, wir lassen das lieber.” Meine Fresse, tat das weh, auch noch viele Jahre danach… und es hat mich echt ausgebremst… zumindest was das Thema Dating angeht.
Sicher weiß ich heute, dass es eigentlich etwas ist, worüber man hinwegsehen kann, dass es kein Grund ist aufzugeben und dass Körbe halt einfach dazu gehören… doch damals war das eben anders. Ich hatte, für die, die es nicht wissen, etwa 2 Jahre vor der Berufsschule einen schweren Autounfall, den ich mit Mühe und Not überlebte… und ich wusste damals gar nicht, wie ich damit umgehen sollte… ich meine, ich war/bin entstellt… Narbe im Gesicht, und damals war es noch viel schlimmer als heute. Ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen soll, und hätte ich ihr einfach nur gesagt, dass ich nicht ihr Typ bin, hätte das wahrscheinlich vieles leichter gemacht. Aber weil mich die Narbe sowieso schon belastete, hat sie genau den Punkt getroffen, der mich schlimmer hätte gar nicht verletzen können.
Die Narbe
Die Geschichte mit der Narbe stört mich heute nicht mehr, weil ich inzwischen weiß, wie oberflächlich und dumm das von ihr war. Jedoch hat sie eine andere Angst offenbart oder verursacht, nämlich die Angst davor, zu daten. Nicht wegen der Narbe oder so, denn seitdem hatte ich einige Beziehungen, in die ich meistens einfach so hineingerutscht bin, sondern viel mehr davor, wieder mit etwas konfrontiert zu werden, womit ich in dem Moment einfach nicht umgehen kann.
Ich bin einfach nicht gut genug aufgestellt im Moment, um sagen zu können: Okay, auf geht’s… ich habe andere Prioritäten. Und tatsächlich kämpfe ich nach wie vor mit dem ein oder anderen Gefühlschaos… aber ich denke, wenn das überwunden ist… irgendwann… kann ich mich wieder ans Daten wagen… was nach fast 16 Jahren dann wohl das erste Mal wäre.
Ja… das wäre dann wohl der Grund, warum ich nicht date… ich sage ja… lächerlich.
