Offene Beziehungen, also quasi die Freiheit, in einer Beziehung mit anderen Menschen intim zu sein – funktioniert so etwas? Hm. Aktuell ist es gerade ein Thema bei mir und einer Freundin, sodass ich mir in den vergangenen Tagen vermehrt Gedanken darüber gemacht und auch noch andere Leute dazu mit einbezogen habe.
Ich persönlich frage immer Leute nach ihrer Meinung, wenn ich weiß, dass sie mir meinen Eindruck bestätigen – ich weiß nicht, inwieweit das auf die Freundin zutrifft, die mich nach meiner Meinung gefragt hat, und ob sie vielleicht gehofft hat, dass ich ihr die Last mit den Worten: “Ja, super… auf jeden Fall” abnehme. Doch das ist nicht der Punkt.
Tatsächlich war ich nicht sonderlich überrascht, als sie mir erzählte, dass es da jemanden gibt. Verwundert war ich nur, als das Thema offene Beziehung zur Sprache kam. Ich schätze sie nicht so ein, dass sie der Typ Mensch ist, der so etwas akzeptieren könnte. Und das, obwohl sie nach außen hin immer den glücklichen Single gibt – glückliche Singles gibt es nicht, das widerspricht unserer Natur, doch das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls war klar, was ich davon halte: Ich bin ganz klar der Meinung, dass einer immer auf der Strecke bleibt, zumindest sofern Gefühle im Spiel sind. Als ich mich mit anderen darüber unterhielt, waren die Meinungen ziemlich ähnlich: Kann funktionieren – ohne Gefühle. Hm.
Stimmt. Ich sehe das Thema auch ganz rational. Dabei muss man jedoch klar definieren, was man von einer Beziehung und seinem Gegenüber erwartet: Reicht es wirklich, sich gelegentlich zu sehen? Ist es in Ordnung, allein daheim zu sitzen in dem Wissen, dass er oder sie gerade vielleicht bei jemand anderem ist? Sind die intimen, vertrauten Momente, die man möglicherweise miteinander erlebt, nicht vollkommen belanglos, wenn man sie auch mit anderen teilt?
Ich meine, natürlich ist Sex das eine, aber alles andere? Reicht es wirklich aus, oder macht man sich selbst etwas vor? Eine offene Beziehung stelle ich mir eigentlich so vor, dass man einen “Hauptpartner” hat und sich eben auch mit anderen vergnügt, aber die emotionale Bindung immer beim Hauptpartner bleibt, oder? Was ist, wenn dann jemand anders mehr möchte als nur das? Ist das dann gut?
Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe ich mir klare Situationen überlegt und versucht, mich in ihre Situation zu versetzen. Angenommen, ich würde mich in jemanden verlieben, der in einer offenen Beziehung lebt, und ich bin eben nicht dieser Hauptpartner oder nur einer von vielen – müsste ich mich selbst irgendwo hintenanstellen – wäre das dann noch ehrlich? Wäre ich ehrlich zu mir selbst? Funktioniert… ohne Gefühle. Gefühle verkomplizieren natürlich immer alles, grundsätzlich.
Sind Gefühle im Spiel, so wie es bei besagter Freundin offensichtlich der Fall ist, wird das Ganze natürlich wahnsinnig kompliziert. Vielleicht ist man dann so naiv und lässt sich darauf ein, weil man einfach nur Zeit mit seinem Schwarm verbringen will. Man akzeptiert, sich selbst zu verletzen, obwohl man das eigentlich gar nicht möchte.
Dann kommen irgendwann die Momente, in denen man seinen Partner braucht, in denen es einem beispielsweise schlecht geht. Dann sitzt man da und fühlt sich noch schlechter, weil man es von Anfang an doch besser wusste. Jetzt hat man natürlich die Freiheit, sich mit anderen zu treffen, und wenn man das möchte, trifft man sich eben mit einem Ersatz.
Ein Kreislauf… oder viel mehr eine Art Schneeballsystem: Immer, wenn man jemanden kennenlernt, während man in einer offenen Beziehung ist, muss der nächste Partner das ja dann auch akzeptieren, und so weiter. Und wie bei einem Schneeballsystem üblich, profitiert nur der an der Spitze davon – was sagt das dann über den Menschen ganz oben aus? Meiner Meinung nach nichts Gutes.
Wenn man Lust hat, sich mit anderen zu treffen und nicht rechtfertigen zu müssen, dann soll man doch alleine bleiben. Offene Beziehungen: Totaler Schwachsinn. Es widerspricht sich ja schon im Wortlaut. Und auch wenn ich ein großer Freund von Widersprüchen bin, so käme eine offene Beziehung für mich persönlich nie in Frage.