Kleidung hat für mich noch nie eine allzu große Rolle gespielt. Klamotten mussten funktional sein und nicht meine Persönlichkeit ausdrücken. Ich war immer der Meinung, dass ich mich selbst nicht durch meinen Kleidungsstil definieren muss und es war mir auch egal was andere über mich gedacht haben.
Inzwischen denke ich anders.
Jogginghosen
Wer in Jogginghosen das Haus verlässt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
Karl Lagerfeld über Jogginghosen
Die wohl bekannteste Aussage von Lagerfeld und wenn man sich die letzten beiden Jahre ins Gedächtnis ruft, hat er damit recht. Die Menschen gehen in Jogginghosen auf die Straße und haben die Kontrolle über ihr Leben verloren.
Als ich noch bei der Post tätig war und in meiner Nachbarschaft zustellte, sind mir zwei Menschen ganz besonders in Erinnerung geblieben.
Ein junges Mädel, das jeden Tag zur gleichen Zeit joggen gegangen ist und jemand von der anderen Straßenseite, der in der Coronazeit wahnsinnig viel zugenommen hat. Ihr werdet es euch sicher denken können: Beide trugen Jogginghosen.
Während ich von dem Mädchen begeistert war, dass sie sich jeden Tag aufs Neue motivieren konnte, war ich von meinem Nachbarn enttäuscht, dass er sich offensichtlich aufgegeben hat.
Wir wissen natürlich nicht, wie die Welt der beiden im Privaten aussieht oder womit sie sich sonst noch befassen müssen, klar sollte aber sein, welche Wirkung die Kleidung auf mich hatte.
Ein Kostüm
Vor vielen Jahren hat jemand zu mir folgendes gesagt:
Ich habe schon immer gern Hemden angezogen. Anzüge, Hüte und Westen – eben alles, was ordentlich wirkt. Ähnlich wie bei Miriams Beitrag zum Thema Musikdoping, indem es darum geht, wie Musik unsere Stimmung beeinflussen kann und wie wir sie bewusst einsetzen können, können wir mit Kleidung ähnliches bewirken.
Ein etwas größerer YouTuber hat in einem Video darüber gesprochen, wie es ihm während seiner Arbeitslosigkeit ging. Es ist eine Geschichte, die jeder, der schon einmal längere Zeit arbeitslos war nachvollziehen kann.
Anfangs ist man noch motiviert, doch umso länger die Arbeitslosigkeit anhält, desto mehr schwindet die Motivation. Man fängt an länger zu schlafen, später ins Bett zu gehen, vernachlässig sich selbst und gibt sich irgendwann womöglich komplett auf.
Nach einigen Wochen ist das dem YouTuber auch klar geworden und auch, wenn ich das Video nicht mehr finde, so ist mir seine Geschichte im Gedächtnis geblieben.
Er erzählt davon, dass er irgendwann begriffen hat, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Er entwickelte eine neue Routine, stand morgens zeitig auf, rasierte sich und zog einen Anzug an.
Niemand sieht in einem Anzug scheiße aus, man wird ganz anders betrachtet und wahrgenommen, erzählte er und so schlüpfte er jeden Tag in sein Kostüm.
Zwar war er nach wie vor arbeitslos, allerdings strahlte er das nicht aus – im Gegenteil. Der Anzug half ihm, sich selbst wieder besser zu fühlen und das, was man ausstrahlt, zieht man eben auch an.
Shopping
Morgen werden bei mir in der Firma Profilfotos geschossen, also nahm ich das zum Anlass zum Friseur zu gehen. Während ich mir die Haare und den Bart schneiden ließ, überlegte ich, was ich morgen anziehen könnte. Eigentlich spielt die Kleidung keine Rolle, da bei uns die Kleiderordnung: “Come as you are” bzw. “Komm wie du bist.” gilt, demnach ist quasi nur wichtig, was ich oberhalb der Brust trage.
Nichtsdestotrotz haben Fotos und ich ein kleines Problem, denn ich lächle nicht sehr oft. Ich möchte jetzt keine neuen Profilfotos haben, auf denen ich unzufrieden wirke, also ist mir alles was oben steht durch den Kopf geschossen.
Durch neue Kleidung kann ich mich selbst aufheitern und beeinflussen, also bin ich zum nächsten Laden gegangen und habe mir ein neues Outfit gekauft: Jacke, Hose, Pullover – sportlich, modern und mit meinem Lieblingshemd kombinierbar.
Schon in der Umkleidekabine fühlte ich mich deutlich besser als in der alten Jacke mit Jeans und T-Shirt.
Solltet ihr also einen Durchhänger haben – kleidet euch neu ein.